Die traditionelle Unterscheidung von Frankenweinen nach ihrer Herkunft aus dem Keuper, Muschelkalk oder
Buntsandstein wird in den letzten Jahren zunehmend von dem aus Frankreich kommenden Begriff Terroir überlagert.
"Terroir" bezeichnet in sehr allgemeiner Weise die von einer spezifischen Weinbergslage - oder auch von einer größeren
Anbauregion - ausgehende, sensorisch wahrnehmbare (!) Prägung eines Weins.
Allein schon der unterschiedliche
räumliche Umfang, auf den sich das "Terroir" beziehen soll - einmal wird ein großräumiges "Makro-Terroir", dann aber ein
kleinräumiges, von einzelne Reblagen ausgehendes "Mikro-Terroir" angenommen - unterstreicht, dass dieser Begriff eher variabel
als scharf definiert zur Anwendung kommt. Tatsächlich wird man nicht so leicht zwei völlig übereinstimmende Definitionen finden.
Kritik am Terroir-Konzept wird vor allem dann laut, wenn die Eigenart von Weinen zu stark auf den Boden oder -
was nochmals ein weitere Zuspitzung ist - auf die Gesteine unter dem Boden einschränkt wird. Dies widerspricht der Erfahrung, nach der das
jeweilige Makro- und Mikroklima, oder auch ein gutes oder schlechtes Jahr, weit mehr Einfluss auf die Qualität der Reben hat.
Skeptiker verweisen auf die Bedeutung, die die Handschrift des Winzers für eine wiedererkennbare Sensorik des Weines haben kann:
Wahl eines bestimmten Rebsorten-Klons,
Düngung, Ertrags- und Qualitätssteuerung duch Rebenrückschnitt, maschinelle oder sorgfältige Handlese,
Entscheidungen über Maischestandzeit oder gar Maischegärung (auch bei Weißweinen!),
Gärung mit Reinzuchthefen oder dem natürlichen Hefenbesatz der Trauben bzw. des Kellers ("Spontangärung"), Steuerung der Gärung
durch Temperaturkontrolle, die eventuelle Durchführung bzw. das Zulassen des Biologischen Säureabbaus, unterschiedlich
weit gehende Eingriffe bei Filterung, Schönung oder Stabilisierung...
Nun kann auch der Winzer am Ende nicht mehr aus der Rebe herausholen, als durch den am Ende ja immer noch natürlichen
Wachstumsprozess in ihr an Potential angereichert wurde. Dieser natürliche Wachstumsprozess findet in Franken nicht nur
auf verschiedenen Ausgangsgesteinen, sondern auch in klimatisch deutlich unterschiedlichen Naturräumen statt.
Es gibt also gute Gründe,
der Vielfalt des Fränkischen Weins und seiner möglichen Beziehung zu den Geofaktoren Gestein, Boden und Klima genauer nachzugehen.
In diesem Abschnitt soll ausführlicher erläutert werden, warum es sehr unwahrscheinlich ist, im Wein Mineralstoffe wahrnehmen zu können.
Pflanzen nehmen MInerale über ihre Wurzeln Minerale nicht als Festkörper, sondern ausschließlich in wässriger
Lösung auf. Das bedeutet, das es sich dabei gar nicht mehr um Minerale im geologischen Sinn, sondern bereits
um ihre einzelnen chemischen Anteile handelt. Unter dem Einfluss der Verwitterung gehen diese dann auch als "mineralische Nährstoffe"
bezeichneten Anteile als positiv oder negativ geladene Ionen in wässrige Lösung - darunter finden wir mit besonders hohen Anteilen:
Kalium als K+, Natrium als Na+, Calcium als Ca++, Magnesium als Mg++,
Phosphor als PO4---, Schwefel als SO4--
Nährstoffe werden der Rebe aber nicht allein aus dem im Untergrund liegenden Gestein zugeführt. Stickstoff stammt vor allem
aus dem Zerfall organischer Bodenbestandteile - sei es aus abgebauter Pflanzensubstanz oder eben auch organischer
Düngung - der Stickstoff stammt letztlich aber aus der Atmosphäre, von der aus er in die Bodenluft gelangt und von Bakterien in eine pflanzenverfügbare
Form gebracht wird.Schwefel und Chlor kommen ebenfalls in nicht unerheblichen Anteilen aus der Luft und werden durch Regen in den Boden eingetragen.
Die aus dem Boden stammenden, gelösten Bauteile von Mineralen gehen - mit wenigen Ausnahmen wie Sickstoff und Schwefel - nicht in die Aromastoffe des Weins ein.
Als Nährstoffe sorgen sie vielmehr dafür, dass die Rebe ihren Zellstoffwechsel und ihr Wachstum bewältigen kann. Ein Vergleich mit uns selbst mag das unterstreichen: auch für
uns sind Calcium und Phosphat für den Aufbau unserer Knochen, Eisen, Natrium und erneut Phosphat für unseren Stoffwechsel und Stickstoff wie auch Schwefel für
den Eiweißhaushalt unverzichtbar.
Der Frage nach der Sensorik gelöster Minerale könn wir am besten an Mineralwasser-Proben nachgehen. Im Gegensatz zum Wein enthält Mineralwasser keine durch
die Aktivität einer Pflanze geschaffene Aromastoffe - die gelösten Minerale lassen sich damit ohne derartige sensorische Überlagerungen in ihrem reintönigen Ausdruck verfolgen.
Grundsätzlich können im Gaumen bzw. auf der Zunge nur die Noten süss, sauer, bitter, salzig und umami ("Glutamat"-Note) wahrgenommen werden. Umami und
zuckerhaltige Minerale sind in Gesteinen nicht bekannt, so dass sich das sensorische Spektrum auf salzige und bittere Noten reduziert. Säuren sind in Form von "Kohlensäure",
also gelöstem Kohlendioxid (CO2) ebenfalls mehr oder weniger enthalten - doch reicht das bei weitem nicht aus, um dem Wasser eine wirklich sauren Geschmack in der Art
zu geben, wie wir ihn von Weinen kennen: deren Säuren - im wesentlichen Apfelsäure und Weinsäure - haben eine anderen Aufbau.
Tatsächlich können Mineralgehalte in Mineralwässern Konzentrationen erreichen, bei denen salzige und auch bittere Noten deutlich werden. In den in unseren Kursen
durchgeführten Mineralwasserproben konnte schwacher Salzgeschmack schon bei Konzentrationen von 36 mg/l Na+ und 41 mg/l Cl- (im Handel: Förstina-Quelle Eichenzell-Lütter)
wahrgenommen werden. Ein Heilwasser wie "Fachinger still" mit 564 mg/l Na+ und 139 mg/l Cl- wurde von vielen Verkostern schon als "extrem salzig" eingestuft.
Da die NaCl-Werte von Weinen nach Würdig & Woller (1989, Chemie des Weines) durchschnittlich 20-90 mg/l erreichen können, ist ein auf gelöstes NaCl zurückgehender
Salzgeschmack im Wein nicht völlig auszuschließen. Da NaCl vom Wind von der Meeresoberfläche aufgenommen und ins Inland verfrachtet wird, nehmen die Salzgehalte der
Niederschläge mit Abstand vom Meer ab. Während an sehr küstennahen Weinstandorten (z.B. Bordeaux) von im Wein spürbaren, in jedem Fall aber sehr schwachen
Salznoten berichtet wird, ist das in Franken äußerst unwahrscheinlich. Die Wahrnehmung wäre dann auch konkret "salzig", und nicht das, was - wie oben
ausführlich angesprochen - als "mineralisch" zu umschreiben.
An mineralisch verursachter Wahrnehmung wären auch noch bittere Noten möglich. Die dafür nötigen Stoffkonzentrationen für MgSO4 (Bittersalz)oder NaSO4 (Glaubersalz) werden
zwar nicht in den im Alltag gebräuchlichen Mineralwässern, aber in manchen Heilwässern erreicht. Wenn wir im Wein bittere Noten wahrnehmen, werden diese aber
kaum von hohen Anteilen dieser mineralischen Bittersalze stammen - in diesem Fall müssten wir überdies mit deutlichen Verdauungsstörungen rechnen ... In Weinen
sind bitteren Noten im Grunde allgegenwärtig, da sie von den im Holz und den Kernen stammenden Gerbstoffen kommen.
In den meisten im Alltag konsumierten Mineralwssern werden wir aber keinen konkreten, mineralisch veursachten Geschmack bemerken können.
Dennoch sind auch geschmacklose Eindrücke in Form eines bestimmten "Mundgefühls" möglich:
Weichheit oder Härte, kürzeres oder längeres Anhaften eigenlich geschmackloser Empfindungen am Gaumen,
unter Umständen auch das Gefühl, als ob der der Speichelfluss etwas eintrocknet (Adstringenz). Aber wir werden normalerweise keine der gelösten Ionen geschmacklich
identifizieren können.
FAZIT: Die Wirkung von gelösten Mineralien auf die Geschmachsempfindung von Wein kann nicht völlig ausgeschlossen werden.
Abgesehen von gelöstem Kochsalz können wir aber keine deutlich artikulierten Geschmacksempfindungen erwarten. Wahrnehmbare Konzentrationen
von Bittersalzen sind im Wein noch unwahrscheinlicher - bittere Noten sind allerdings nicht selten, sollten dann aber von den im Wein enthaltenen
organischen Verbindungen stammen. Minerale, die süsse und saure Empfindungen hervorrufen, sind in der Erdkruste nicht bekannt - im Wein
müssen sie also ebenfalls von organischen Verbindungen (wie z.B. den beim Wachstum "hergestellten" Zucker) stammen.
Wenn also in Weinproben von Mineralischen Geschmacksnoten oder Mineralität die Rede ist, lohnt in jedem Fall eine Nachfrage, was
denn genau damit gemeint wäre. Handelt es sich vielleicht wirklich um eine klare salzige Note? Oder sind damit lediglich Vorstellungen gemeint, die uns im Wein
möglicherweise an Bilder oder Gerüche wie "angeschlagener Feuerstein", "nasser Schiefer" oder "feuchte Erde" denken lassen? Wenn letzteres der Fall ist, dann sind die
Gründe dafür aber ganz sicher nicht "mineralische Anteile" im Wein, sondern organische, also auf chemische Verbindungen von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff gegründete
Merkmale, die in der Traube als primäre oder nachfolgend bei der Gärung oder Lagerung als sekundäre bzw. tertiäre Aromen hinzugekommen sind.
Welche Bedeutung haben das Gestein und der darauf entwickelte Boden tatsächlich für den Weinbau? In den Werbemateralien wird das besondere Terroir der fränkischen Weine massiv beworben und
dabei häufig auf die Gesteine aus der Zeit des Buntsandsteins, Muschelkalks oder Keupers zurückgeführt. Winzer schließen sich zu Vermarktungsgemeinschaften mit dem Namen "TRIAS" zusammen, und selbst die Bayerische Landesanstalt
für Weinbau und Gartenbau unterstützt die Verwurzelung des Terroirs in der Geologie in ausführlichen Präsentationen (z.B. Der Weinbau in Franken: Daten-Fakten-Hintergründe, von
Dr. Hermann Kolesch 09/2106).
Offensichtlich werden Geologie und Erdgeschichte dazu benutzt, dem Produkt "Wein" eine möglichst tief gehende Verwurzelung in Raum und Zeit anzudichten. Dabei wird allerdings
der Bereich plausibler Zusammenhänge bewusst verlassen und stattdessen mit allem möglichen erdenkbaren Bezügen an einem Mythos gebastelt.
Weniger das Gestein als der Boden ist relevant.
Tatsächlich wächst der Wein ja nicht direkt auf oder im Gestein, sondern auf einem mehr oder weniger
tiefgründigem Boden, der dem Gestein aufliegt. Dabei gilt es zu betonen, dass der Boden in seiner Qualität nur zu einem Teil von dem darunter liegenden Ausgangsgestein
bestimmt wird. Von großer - mitunter sogar von entscheidener Bedeutung - sind auch erdgeschichtlich junge Deckschichten: Flugsanddecken, Lößauflagen, Wanderschuttauflagen
oder - im Maintal - Ablagerungen des Mains, die aus in der jüngeren Erdgeschichte umgelagerten Material abgesetzt wurden. Wollte man diesen Beitrag zum Untergrund der fränkischen
Weinberge angemessen würdigen, könnte es z.B. heissen: "Fränkischer Wein - auf dem Schutt der letzten Eiszeit gewachsen."
Die Bedeutung des Bodens liegt weniger in seinem aus dem Ausgangsgestein hergeleiteten Nährstoffgehalt. Das, was an
Nährstoffen durch Verwitterung des Gesteins laufend in den Boden gelangt, ist weit entfernt davon, ein Produktionssystem wie den Weinbau von sich aus für längere
Zeit am Laufen halten zu können. Weinbau ist daher ein Thema, bei dem es auf eine möglichst nachhaltige Balance von Bodenpflege und optimierten Düngereinsatz ankommt.
Die Aufgabe des Bodens besteht nun darin, in Hinblick auf die Bedürfnisse der Reben als möglichst optimales Speicher- und Austausch-System zu funktionieren.
Das bedeutet, der Boden sollte (1) Nährstoffe vor der Auswaschung in die Tiefe schützen, sie bei Bedarf aber auch an die Pflanzenwurzeln abgeben. Gleiches gilt für das Wasser:
Reben mögen keine Staunässe, aber ohne Wasser geht es auch nicht. Die Böden sollten daher (2) eine Balance zwischen Trockenheit
und Wasserangebot halten können. Die Reben sind im Grunde eine auf Trockenstress hin entwickelte Spezies - normalerweise versorgen sie sich
in den obersten Dezimeter des Bodens mit Flüssigkeit und Nährlösungen - als Tiefwurzler können sie sich in extrem trockenen Phasen aber auch in tiefen Rissen
des Gesteins um Nachschub bemühen.
Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper sind - streng genommen - keine Gesteinsnamen, sonder geologische Formationsbegriffe.
Das heisst, jeder dieser Begriffe umfasst eine
Abfolge von Gesteins-Schichten, die sich aufgrund ihrer gesteinskundlichen Beschaffenheit zur Zusammenfassung anbieten und sich als Ganzes
von anderen Formationen unterscheiden lassen. Diese drei Formationen können zu einer übergeordneten Gruppe, der Trias,
zusammengefasst werden.
Genau betrachtet, besteht jede Formation aus mehr oder weniger vielen, unterschiedlichen Gesteinen: Sandsteinen, Kalksteinen, Mergelsteinen, Tonsteinen,
Gips-und Dolomitsteinen. Nimmt man etwa aus dem Keuper ein Stück Sandstein heraus, dann kann es sein, dass man es in seinem
Erscheinungsbild nicht von einer Sandsteinprobe aus dem Buntsandstein unterscheiden kann. Oder eine Dolomitbank aus dem Gipskeuper, die
man so - aus dem Zusammenhang genommen - auch im Muschelkalk finden könnte.
Die aus dem Inneren der Erde wirkenden Kräfte haben die Gesteine der Fränkischen Trias leicht verstellt. Diese leichte, nach Osten bis Südosten
gerichtete Neigung ist zusammen mit dem Wechsel unterschiedlich abtragungsresistenter Gesteine dafür verantwortlich, dass in Franken
eine Schichtstufen-Landschaft existiert. Die Schichtstufen sind immer dort gelegen, wo unter einem abtragungsresistenen Stufenbildner
(wie dem Sandstein-Keuper) leichter abtragbarere Sockelbildner (hier der Gipskeuper liegen).
In einer Studie zur Standortbewertung (Das Geländeklima, in: Der Deutsche Weinbau, Nr. 1, 2005)
heisst es: "Das Geländeklima charakterisiert zusammen mit der Topographie und dem Boden einen
Weinbaustandort. In den nördlichen Weinbaugebieten dominiert das Geländeklima die
Traubenqualität stärker als der Einfluss des Bodens. Dies bedeutet, dass sich die jährlichen
Unterschiede in der Traubenqualität meist aus der Variabilität der klimatischen Faktoren
ergeben. In trocken-heißen Jahren wie 2003 gewinnt allerdings der Boden deutlich an Bedeutung,
besonders sein Wasserspeichervermögen."
Angesichts der Randposition, der fränkische Weinbau in klimatischer Hinsicht in Europa einnimmt, wäre es
also verwunderlich, wenn die meso- und mikroklimatischen Unterschiede der Standorte "Stufenran" und "Maintal"
sich nicht - zumindest als Trend - in den Weinen wahrnehmen liessen.
Das muss sich nicht in jeweils
besonderen Aromanoten - im Sinne etwa von "Quittenaromen" vs. "Stachelbeere" - ausdrücken, vermutlich werden solche
Unterschiede eher in der Gesamtstruktur des Weines oder dem, was man Charakter nennt, merklich.
Wenn also - wie hier vermutet - tatsächlich das Klima sensorisch wahrnehmbare Unterschiede
zwischen Stufen- und Maintal-Weinen verursachen kann, dann würde die Unterscheidung in Hinblick auf den geologischen
Untergrund, also von Keuperwein und Muschelkalkwein, dem gegenüber nachrangige Bedeutung haben.
Stattdessen müsste es dann eigentlich heißen: der Maintal-Wein unterscheidet sich vor allem aus klimatischen Gründen
vom Schichtstufen-Wein. Aber keine Frage - das klingt lange nicht so gut und mythenreich wie Muschelkalk oder Keuper