Hofbauer, Gottfried (2019):Globaler Wandel - Kurze Anmerkungen zu einem komplexen Thema (1): Mehr als nur Klimawandel - www.gdgh.de/Berichte/b17 (20. Juli 2019).

Globaler Wandel
Kurze Anmerkungen zu einem komplexen Thema (1):
Mehr als nur Klimawandel


Gottfried Hofbauer, Erlangen (D/Germany)

Vorbemerkung

Am 17. Juli 2019 begann in der Naturhistorischen Gesellschaft (NHG) Nürnberg ein Kurs zu dem Thema "Wichtige Stoffkreisläufe der Erde". Erstes Thema war der Kohlenstoff-Kreislauf, der gegenwärtig wegen des Klimawandels große Aufmerksamkeit erfährt. Doch dieser ist nur ein kleiner Aussschnitt aus dem großen Wirkungsgefüge der Erde, das wie auch der Planet selbst niemals stillsteht. Unter dem Motto Globaler Wandel sollen in loser Folge Anmerkungen und Kommentare dazu gesammelt werden.





"I'm a poor lonesome cowboy ..." Heimfahrt nach dem Kurs am 17. Juli, auf der A73 nach Nordwesten in Richtung Erlangen



Mehr als nur Klimawandel

Dass der aktuelle Klimawandel eine starke, durch den vom Menschen verursachten CO2-Ausstoss verursachte Komponente hat, kann nicht angezweifelt werden. Doch die Debatte hat die Tendenz, darüber hinweg zu täuschen, dass Klimawandel auch ohne das Zutun des Menschen eine durchweg dokumentierte Eigenschaft der Erdgeschichte ist. So waren die letzten Jahrhunderttausende von extremen Klimaschwankungen geprägt, weite Teile Deutschlands lagen unter Eisdecken, in den freien Gebieten ließ Permafrost nur noch eine Tundrenlandschaft zu. Noch vor 11.000 Jahren wäre in der Magdeburger Börde oder dem Alpenvorland keine einzige Kornähre gewachsen.

Für die langfristige Stabilsierung menschlichen Lebens kann es deshalb nicht "nur" darum gehen, den aktuellen, selbst mitverursachten Klimawandel durch Reduktion des CO2-Ausstosses in Grenzen zu halten. In Erweiterung dieser Sichtweise müsste die erdgeschichtlich-geologische Dimension dauerhafter Bestandteil der menschheitsgeschichtlichen Handlungsperspektive werden.

Die Erde funktioniert aber nicht wie ein zuverlässig gleichförmig laufendes Uhrwerk, es gibt deshalb auch keine physikalisch abgeschlossene "Theorie der Erdgeschichte". Erdgeschichte kann man mehr oder weniger verstehen und im Rückblick erzählen, aber nicht als eine Entwicklung sehen, die im Sinne eines naturgesetzlichen Verlaufes notwendig so geschehen musste. Mehrfach sind wichtige Weichenstellungen erfolgt, die das Gesamt-System in neue Komplexitäts-Stufen geführt hat - die Entstehung des Lebens, oder in der Folge die evolutionäre "Erfindung" der Photosynthese waren sicher solche Weichenstellungen: Die Erde ist, zusammen mit all ihren anorganischen und biotischen Systemen, ein sich ständig selbst aufs Neue organisierendes Wirkungsgefüge. Klimawandel ist deshalb nur ein herausgegriffener Aspekt aus diesem Ganzen.

Angesichts dieser Komplexität sollten Klimaforscher nicht so tun, als ob sie zukünftige Entwicklungen bis auf Stellen hinter dem Komma prognostizieren könnten. Damit erwecken sie den Anschein, sie würden das System Erde tatsächlich in Gänze verstehen und modellieren können. Der gegenwärtig vom Menschen so extrem beschleunigte CO2-Ausstoß holt den Kohlenstoff aus der Lithosphäre, in der er als Kohle, Öl oder Gas bis heute - vor der Oxidation geschützt - lagerte. In der aktuellen Rate ist der Anstieg dieses Treibhausgases in der Atmosphäre ohne bekanntes erdgeschichtliches Beispiel und somit auch nur eingeschränkt mit vorangegangenen Prozessen und Ereignissen vergleichbar: Wir alle sind auf dem Weg in eine neue, unbekannte erdgeschichtliche Zukunft - aber das wären wir im Grunde auch ohne diese Treibhausgas-Emissionen, aber wahrscheinlich wäre das erst später ins Bewußtsein gerückt.

Was Wissenschaft von Religion unterscheidet ist aber gerade auch die reflektierte Skepsis gegenüber den eigenen Vorstellungen und Ergebnissen. Der Umstand, dass die Mehrheit der Wissenschaftler dieses oder jenen Standpunkt vertritt, ist keine Gewähr dafür, dass er so auch zutrifft. Jeder, der sich mit der Geschichte der Wissenschaft befasst, begegnet einer Vielzahl kollektiver Irrtümer und Fehleinschätzungen: Man muss da nicht bis zum geozentrischen Weltbild zurückgehen - aber vielleicht erinnern sich gerade Geologen noch an so merkwürdige Dinge wie die "Geosynklinale".

So sollten wir sehen, dass wir es in den laufenden Diskussionen vor allem mit Hypothesen zu tun, gerade in Hinblick auf denn Blick nach vorne. Solche methodologisch begründeten Unsicherheiten sind aber kein Grund, um die Hände in den Schoss zu legen und nicht nach langfristig nachhaltigen Anpassungen an die zu erwartenden Herausforderungen zu suchen.



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